Sturm 3

Als wir an diesem denkwürdigen Morgen zum Flughafen München aufbrachen – wir wurden vom Flughafentransfer abgeholt – war mir einigermaßen flau im Magen. Natürlich wusste ich, daß ich als Troll kein Recht hatte, etwas verändern zu wollen, aber ich war demgegenüber auch kein bisschen neugierig was der Filmvorführer nun wieder für eine Rolle eingelegt hatte. Dingsbums glaubte nicht an seltsame Machenschaften innerhalb der Zeit und demnach auch an keine Gefahren die da auf uns warteten. Ich war jedoch zutiefst beunruhigt.

Der Flieger startete jedenfalls zunächst in einen strahlend blauen Morgenhimmel hinein und mir wurde ein wenig leichter ums Herz. Meine Begleiterin strahlte ausnahmsweise einmal auch. Sie freute sich auf das Land im Süden, wo sie, ganz allein mit mir, herrliche Tage zu verbringen gedachte. Daran glaubte sie fest und bis wir die Südseite der Alpen erreicht hatten blieb es bei eitel Sonnenschein und der Unbedarftheit eines Erwachsenenlebens, das scheinbar allem gewachsen war. Dann wurde es dunkel!

Auf einmal wurde unser Fluggerät herumgeworfen wie eine Gondel in der Achterbahn. Ein Luftloch löste das andere ab und eine Sturmböe nach der anderen warf uns herum als seien wir gar nichts. Die Mächte der Natur spielten mit uns Fangen. Ich dachte an das Orakel und an die Vorhersage „Der Flug wird eine Prüfung werden“, sagte aber nichts, um Dingsbums nicht zu verärgern. Aber anscheinend war ich nicht der Einzige der sich Sorgen machte. In der nächsten Sitzreihe las ein distinguierter Herr die Zeitung verkehrt herum und ein paar Reihen weiter vorne tat sich eine kleine Lady mit lustigen spitzen Schreien hervor.

Es rumpelte und blitzte, es rauschte und donnerte und alles sah nach einer Katastrophe aus, aber wir bewegten uns Schritt für Schritt über dem italienischen Stiefel vorwärts nach Süden. Ich hatte gerade, bei der wieder einmal vorbei torkelnden Stewardess, meinen 3. Whiskey bestellt um mich wenigstens irgendwie zu beruhigen, da hieß es „wir setzen zur Landung in Tropea an“. Ich wusste nicht ob ich mich jetzt freuen, oder ob ich mich von mir und meinem Erdentraum verabschieden sollte, denn der Flieger wackelte auf eine Landebahn herunter, die mehr als einmal quer stand und nicht gerade danach aussah als könne sie uns liebevoll aufnehmen.

Schließlich krachte das große Blechvehikel des Flugkapitäns aus ungefähr 2 Metern Höhe auf den Asphalt und es war geschafft. Der nun einsetzende, aufbrandende Applaus der Fluggäste schien mir, angesichts der gewagten Aktion sehr angebracht und auch ich klatschte blass und erschöpft meinen Beifall in die Angströhre hinein, die uns für mehr als 2 1/2 Stunden durch die Luft transportiert hatte...oder sollte ich lieber „geschleudert“ sagen?! Dingsbums sah mich triumphierend an!

Dann saßen wir auch schon im Taxi zu unserer Ferienwohnung... Da ich immer noch quasi betrunken war erfreute ich mich bester Stimmung und bemerkte somit nicht was ich nun wieder anzurichten begann. Die Ferienwohnungen gehörten alle dem originellen Giorgio, der, wie ich später erfuhr, einen ansehnlichen Teil seiner Einnahmen an die Mafia abzudrücken hatte. Seine Siedlung war sehr schön – jede kleine Wohneinheit hatte eine eigene Terrasse. Auf diesen Terrassen hielten sich zur Zeit unserer Ankunft Leute auf, die gerade mit ihrem Nachmittagskaffee beschäftigt waren. Und was soll ich sagen?! Die nächste Misere kam bereits auf uns zu.

Ich, der dumme Troll war natürlich wieder einer fremden Frau aufgefallen, die sich sofort rührend um „uns“ bemühte. Sie ging mit zur Anmeldung bei Giorgio und seiner Familie, wo ich sofort unangenehm auffiel. Nicht bei Giorgio, seiner Frau, seiner Mutter und seiner Tante, die ich dämlich auf italienisch begrüßte, sondern bei Dingsbums! Sie hatte, zusammen mit Schlaudia zuhause einen Italienisch-Kurs besucht, dort im Chor das Kleine Einmaleins gesprochen und sogar italienische Kinderlieder gesungen...und was passierte jetzt? Dieses Arschloch von einem Troll parlierte auf italienisch mit dem Betreiber der Anklage und seiner versammelten Hühnerschaft aus entzückten Grazien, die sich gerne dem Neuankömmling zuwandten.

Zugegeben, ich hatte auch ein bisschen italienisch gelernt und war dafür von Dingsbums ausgelacht worden, weil ich laut Vokabeln wiederholte, aber nun verließ ich mich ganz auf meine Frechheit und meine Intuition – und kam damit auch noch an! Giorgio war begeistert als ich ihm vorlog ein Pittore zu sein und noch begeisterter als ich in 10 Minuten sein Portrait auf die Tischdecke auf seiner großen Veranda zeichnete. Das schlug dem Fass den Boden ins Gesicht. Und schließlich gewann ich auch noch die Sympathie eines Übersetzers der dort ebenfalls grade Urlaub machte. Es handelte sich um einen sehr bescheidenen Mann, der nicht näher darauf einging wie schlecht ich doch italienisch sprach, sondern mich eher noch für meine Angeberei bewunderte.

Die nächste Tage ignorierte ich Dingsbums' sichtliche Anspannung. Wir hatten ein Auto gemietet und fuhren fleißig über Land, wo ich unablässig eine Unzahl von Motiven für Malerei und Fotobearbeitung mittels Graphikprogramm suchte und fand. Uralte Olivenbäume faszinierten mich am meisten, aber auch die wunderschönen Pinien und die edlen Zypressen. Daneben überraschte mich die Schönheit der Frauen jeden Tag aufs Neue. Überhaupt fand ich die Menschen dort vorwiegend attraktiv. Ich begann mir ein kalabresisches Model zu wünschen...auch wieder so eine unakzeptable Marotte meines unausstehlichen Trollseins.

Den Gipfel der Frechheit leistete ich mir als ich der lieben Schlaudia ein Gedicht in italienischer Sprache auf die Ansichtskarte schrieb, die wir ihr schickten...eines mit Reim natürlich.

Cordiali Saluti di Calabria
 
Italia, la bella Cosa,
sta sera e`il cielo rosa,
le Donne grande Sen‘ avere,
gli Uomi preferiscono da bere.
Noi beviamo molti Vini –
E vediamo doppie Pini.
 
E adesso ciao a tardi,
perche tu devi guardi,
gli nostri grasse Impressione
di la gentilissimo Nazione:
Le Belezze questa parte –
un Concilio del arte!

Das konnte jetzt kaum noch getoppt werden – aber es ging! Denn die anfangs so hilfreiche Frau, die uns bei der Anmeldung beigestanden hatte, bestand auf gemeinsamen Unternehmungen mit uns. Welch ein Fauxpas?! Da konnte nur noch Sex helfen und den beraumte Dingsbums einigermaßen geschickt, an einem besonders heißen Tag an, wo sie normalerweise eigentlich zu nichts zu gebrauchen war. Diesmal aber wälzten wir uns fast einen ganzen Tag lang im Bett herum.

Ein Treffen mit der Ferienwohnungsnachbarin und deren ebenfalls weiblicher Reisebegleitung konnte also nicht stattfinden. Und der romantische Abend im Sternenglanz, auf der kleinen Terrasse, von der aus man einen schönen Ausblick in eine Bucht hatte, war traumhaft! In dieser Nacht schlief ich wundervoll, träumte davon zum Mond zu fliegen und beschäftigte mich mit allerlei erfrischenden Zukunftsplänen, die ich natürlich wieder mal ohne den Wirt gemacht haben würde. Doch für den Augenblick genoss ich meine alles andere als prekäre Situation!

Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  16

© Alf Glocker


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Kommentare zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  16"

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  16

Autor: Sonja Soller   Datum: 04.09.2022 7:49 Uhr

Kommentar: Geht doch!!!!! Ein Lichtblick für den Troll!!

Das Bild ist super dazu!!!!

Schmunzelnde Grüße aus dem trolligen Norden, Sonja

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  16

Autor: Alf Glocker   Datum: 04.09.2022 8:21 Uhr

Kommentar: Man dankt herzl aus dem passenden Süden
LieGrü
Alf

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  16

Autor: Michael Dierl   Datum: 04.09.2022 10:51 Uhr

Kommentar: Moin Alf, zum Tex! Sorry, muss ich noch lesen! Das Bild Spitzenklasse! Zum italienischen Gedicht kurz! Wenn ich dran geblieben wäre könnte ich sehr wahrscheinlich heute mit Italienisch mithalten aber ich hatte leider zu viele andere Intressen und so wurde es wieder verworfen, weil ich dann doch nicht nach Italien umgezogen bin. Wollte damals Nähe Mailand. Dort sollte damals die Hochburg des Design stecken, so habe ich noch sehr vage in Erinnerung. Leider kam was anderes dazwischen, so, dass ich dann auch das Intresse am Italienisch aufgegeben habe. Ich weiß heute nicht mehr viel drüber. In Deinem Gedicht, hab's mal quer gelesen, geht's um Stand, Wein und sehr wahrscheinlich auch die Liebe zum Land. Italien ist ja dafür schon berühmt. Es ist einfach auch ein Land zum Verlieben. Die Menschen sind dort anders als hier zu Lande. Ich war leider nur 2 Mal in Italien. Wollten zuerst nur nach Österreich, so wie immer, dann sind wir weiter gefahren. Tja, schöne Erinnerung daran geweckt! Danke!

lg Michael

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  16

Autor: Alf Glocker   Datum: 04.09.2022 18:01 Uhr

Kommentar: Das ist ja wirklich schön für mich Erinnerungen geweckt zu haben...

Wahrscheinlich ist das Gedicht nicht ganz astrein.
Ich bin leider auch wieder davon abgekommen italienisch zu lernen.
Und ja, ich wollte auch mal dort leben, in bella Italia!!

LG Alf

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  16

Autor: Michael Dierl   Datum: 04.09.2022 22:48 Uhr

Kommentar: So, nun hab ich's mal gelesen. Es scheint fast real auf mich zu wirken Deine spannende Geschichte mit dem Flugzeug und den Auf- und Abwinden über den Alpen bzw. dort kann man aber auch tatsächlich in einen sogenannten Lee-Wind kommen dieser drückt dann das Luft-Vihikel runter. Ein Klassenkamerad hat sich in eine Italienerin verknallt. Die haben geheiratet und er ist in den Norden Italiens gezogen als bei Nokia damals Schluss war. Er war Entwicklungsingenieur dort und nun züchtet er Schafe in Norditalien. Seine Frau ist Rechtsanwältin. Leben dort recht gut vom Fleischverkauf und sie von eben ihrem Job. Ich weiss es von einem anderen Schulkamerad der ihn besucht hat. Tja, so kann's dann auch gehn. Liebe findet man überall wenn man noch jung ist. Ich war damals so um die 25 Jahre und dachte die Welt ist mir. Nach unser gescheiterten Musikkarriere hat sich unsere Band aufgelöst. Auch das war eine schöne Zeit allerdings auch sehr anstrengend. Wollte ich heute nicht nochmal machen! Tja, Alf, Du zeichnest und malst sehr gut! Bin immer begeistert wenn ich solche Bilder sehe. Allein schon diese haben mich damals in die Museen gelockt. Und ich stand immer platt davor wie man wohl so geil malen kann. Durch die Musik habe ich hier für vielzuviel Zeit verloren aber was soll's. Jeder macht Fehler das gehört zum Leben dazu!

lg Michael

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  16

Autor: Alf Glocker   Datum: 06.09.2022 7:04 Uhr

Kommentar: Tja, wie das Leben so spielt...
Mir hat es so manchen Marsch geblasen, den ich sicher nicht hören wollte.
Wir versuchen aber immer das Beste aus jeder Situation zu machen, mehr können wir nicht tun - Irrtum immer inbegriffen.
Dabei wissen wir nicht einmal ob wir Irrtümer begangen haben oder nicht.

...ich danke dir jedenfalls!

LG Alf

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